Die Agrarwirtschaft hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Durch die Fortschritte im Bereich neuer Technologien und die Digitalisierung wurde dieser Weg geebnet. Vor drei Jahren haben wir schon einmal einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen der Branche geworfen. Im Folgenden wollen wir näher beleuchten, welche Fortschritte und Trends inzwischen zu beobachten sind.

In der Landwirtschaft 4.0 lag der Fokus auf der Vernetzung von Maschinen und der Erhebung einer großen Menge an Daten. Landwirte integrierten Technologien wie GPS und Sensoren, um effizienter zu arbeiten. Besonders die gesteigerten Möglichkeiten der Datenanalyse lieferte wertvolle neue Einblicke. Durch die sich anschließende Vernetzung und erste Schritte in Richtung Automatisierung von Maschinen wurde in dieser Phase der Grundstein für die weiterführende Evolution zur Landwirtschaft 5.0 gelegt, wo Maschinen zunehmend autonom und „intelligent“ agieren dürften.

Von künstlicher Intelligenz hin zu autonomen Entscheidungen

Das Schlagwort Landwirtschaft 5.0 steht also gleichbedeutend für die fortschreitende Evolution der digitalen Landwirtschaft. Während in der Phase 4.0 die Technik im Fokus stand, wird es in der Landwirtschaft 5.0 darum gehen, den Menschen wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. So dürften beispielsweise beim Anbau von Lebensmitteln digitale Technologien zukünftig nicht mehr nur auf den dadurch erreichbaren quantitativen Ertrag abzielen, sondern auch darauf, die Qualität der Produkte steigern. Das Thema Nachhaltigkeit drängt sich in den Vordergrund. Und das ist gut so. Zunehmende Trockenperioden führen auch in unseren Breitengraden dazu, dass durch den stetig sinkenden Grundwasserspiegel erntereiches Wachstum auf den Feldern immer schwieriger wird. Der Anbau von Lebensmitteln muss folglich resilienter gestaltet werden, um dem etwas entgegenzusetzen.

Auch mithilfe kleiner Lösungen lassen sich schon nachhaltige Wirkungen erzielen. Im Jahr 2020 beispielsweise wurde eine App gelaunched, die es Landwirten auf recht einfache Weise ermöglicht, ihre Felder besser zu bewässern, ohne eigens Sensoren oder andere Technik auf ihren Flächen installieren zu müssen. Auf der Grundlage von tagesaktuell erhobenen Datensätzen kann die im Hintergrund aktiv werdende KI relevante Faktoren erkennen. Alles, was Landwirt*innen hierzu tun müssen: die eigenen Felder in einer Karte der App eintragen und die Anwendung aufs Smartphone laden. Mithilfe künstlicher Intelligenz lässt zukünftig aufgrund einer guten Datenlage sehr konkret und ad hoc festgestellt werden, an welchen Stellen gutes Wachstum möglich ist, wo es unter Umständen für die geplante Saat an wichtigen Nährstoffen mangelt oder wo es für eine Aussaat gerade zu trocken erscheint.

Auch der allgemeine Hype um die KI ChatGPT trägt in die Branche. Seit dem Frühsommer zielt eine Initiative mit der Plattform agriGPT darauf ab, das Potenzial von Large Language Modells (LLMs) für die Agrarindustrie zu erforschen. Zum einen wurde hierzu eine Frontend-Schnittstelle erstellt, die mit ChatGPT interagiert. Die API ist fein abgestimmt, integriert sowohl öffentliche als auch interne Daten und bringt diese in den gewünschten agrartechnischen Kontext. Parallel dazu arbeitet man bereits daran, ein speziell für die Landwirtschaft konzipiertes LLM zu erstellen.

Überhaupt gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Projekten, bei denen künstliche Intelligenz für eine präzisere Landwirtschaft ins Spiel kommt. Einen kleinen Überblick dazu verschafft die Projektförderungsseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Von beispielsweise einer Blattlausidentifikation mittels KI, KI-gesteuerter Robotertechnik zum autonomen Abernten über eine KI-gesteuerte Plattform zwecks Klassifikation und Sortierung von Pflanzensamen bis hin zur Entwicklung eines mobilen und modularen Prototypen zur visuellen Qualitätserkennung durch künstliche Intelligenz in der Lebensmittelindustrie: Die Bandbreite an Ideen ist schon jetzt riesig.

Diesen technikgetriebenen Ansatz für die Zukunft in der Landwirtschaft verfolgt auch das kürzlich geschaffene „Joint Lab Künstliche Intelligenz & Data Science“. Das gemeinsame Programm von der Universität Osnabrück und dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) zielt darauf ab, anwendungsspezifische KI- und Data Science-Technologien zu erforschen und daran angelehnt Entsprechungen für die Praxis zu finden.

Wenn die Entwicklungen so fortschreiten, dürfte die Landwirtschaft von morgen so aussehen, dass beispielweise Drohnen und Roboter nicht nur die Daten sammeln, sondern in diesem Zusammenspiel auch eigenständige Entscheidungen aus diesen ableiten – also nicht nur Unkraut oder Schädlinge erkennen, sondern auch direkt eine gezielte Gegenmaßnahme ab- und einleiten können. Mithilfe von KI-Technologie dürften sich Landwirte dann auf weit mehr als nur das Wetter als Referenz stützen, wann genau gepflanzt oder geerntet werden soll, um die besten Erträge zu erzielen. Und auch der Umweltschutz dürfte perspektivisch durch präzisierte Bewirtschaftungsmethoden enorm geschont werden, wenn Ressourcen wie Wasser und Dünger automatisiert eingespart werden.

Landwirtschaft übergreifend denken

Genau wie in anderen Bereichen und Branchen auch, sollte das „Smart“ in Farming aber nicht in Insellösungen gedacht werden. Mit der offenen Datenplattform Agri-Gaia etwa wurde ein Ökosystem geschaffen, das eine solche Entwicklung verhindern kann. Denn die Optimierung bestehender Prozesse in der Landwirtschaft ist die eine Sache. Eine andere, ob diese auch langfristig dem tatsächlichen Bedarf entsprechen.   

Neben der Technologie selbst wird auch der anstehende Generationenwechsel bei den Höfen einen maßgeblichen Anteil an der Transformation der Landwirtschaft haben. Die jungen Landwirt*innen zeigen sich innovativer Technik gegenüber meist sehr aufgeschlossen. Sie verstehen, dass diese sie dabei unterstützen kann, ihren Betrieb effizienter UND nachhaltiger zu gestalten. Die Agrarwirtschaft von morgen braucht genau dieses Mindset. Und dazu das notwendige Kapital, um in neue technologische Lösungen und Maschinen investieren zu können.